Sachverständiger im Ermittlungsverfahren

Häufig bietet sich im Ermittlungsverfahren die Möglichkeit und die Notwendigkeit, einen Sachverständigen einzuschalten. Wenn es der Polizei oder der Staatsanwaltschaft an hinreichender Sachkunde fehlt um eine erhebliche Beweisfrage zu klären, beauftragt sie hierzu einen Sachverständigen.

Die Anknüpfungstatsachen müssen bestehen und dem Sachverständigen ist ein entsprechender Auftrag zu erteilen. Gesetzliche Regelungen gibt es insoweit nicht. In den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren ist in Nummer 70 jedoch folgendes geregelt: „Während des Ermittlunsverfahrens gibt der Staatsanwalt dem Verteidiger Gelegenheit, vor Auswahl eines Sachverständigen Stellung zu nehmen, es sei denn, dass Gegenstand der Untersuchung ein häufig wiederkehrender, tatsächlich gleichartiger Sachverhalt ist oder eine Verzögerung des Verfahrens zu besorgen ist oder eine Gefährdung des Untersuchungszwecks gegeben ist. 

Die Einhaltung der Richtlinie kann der Strafverteidiger nicht einklagen. Er kann und sollte jedoch noch vor Bestellung eines Sachverständigen auf § 70 RiStBV hinweisen und rechtliches Gehör einfordern. Er kann auch selbst Sachverständige vorschlagen. Bei unterschiedlichen Vorstellungen des Verteidigers und des Staatsanwalts sollte der Strafverteidiger das Gericht anrufen und eine Entscheidung herbeiführen. Dies insbesondere dann, wenn der Strafverteidiger aus den Gesprächen mit seinem Mandanten den Eindruck hat, dass dieser bei der Begehung der Tat vermindert schuldfähig gewesen sei. 

Empfehlung des Strafverteidigers:

Zunächst ist im Innenverhältnis zu klären, ob die Begehung der tat eingeräumt werden oder bestritten werden soll. Denn es ist ein wesentlicher Fehler, einen Sachverständigen zur Frage der Schuldfähigkeit zu benennen, wenn die Tatbegehung bestritten werden soll oder der Beschuldigte von seinem Schweigerecht Gebrauch machen möchte. Denn der Sachverständige muss die „tiefgreifende Bewusstseinsstörung“ und die „schwere andere seelische Abartigkeit“ während der Tatbegehung ergründen. Damit gesteht man aber bereits die Begehung der Tat ein oder jedenfalls droht das Eingeständnis in diesem Zusammenhang. Daher lassen Sie sich unbedingt zunächst von ihrem Strafverteidiger darüber beraten, ob die Straftat zugegeben wird oder ob sie von ihrem Schweigerecht Gebrauch machen werden oder die Begehung der Straftat bestreiten.

Empfehlung des Strafverteidigers:

Durch Untersuchungsverweigerung gegenüber dem vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft beauftragten Sachverständigen folgt für den Angeklagten nicht das Recht, einen anderen Sachverständigen zu bekommen. Weitere Sachverständige werden nur unter den Voraussetzungen des § 244 Abs. 4 S. 2 StPO gehört. Andernfalls hätte es der Angeklagte in der Hand, nur vom „Sachverständigen seines Vertrauens“ gehört zu werden. Das ist aber mit dem Aufklärungsgrundsatz des Gerichts nicht vereinbar. Lässt sich ein Angeklagter vom gerichtlichen Sachverständigen nicht untersuchen, riskiert es es, gar nicht untersucht zu werden. Der Richter hat jedoch gem. § 73 StPO ein Auswahlrecht bezüglich des Sachverständigen. Er ist nicht dazu verpflichtet, den von der Staatsanwaltschaft auserwählten Sachverständigen zu übernehmen. Daher lohnt es sich für den Strafverteidiger, frühzeitig auf eine Auswahl des Gerichts hinzuwirken, wenn denn insgesamt nicht der Tatvorwurf bestritten oder geschwiegen werden soll. 

Empfehlung des Strafverteidigers:

Die Strafverteidigung ist nicht daran gehindert, selbst ein Gutachten in Auftrag zu geben und das Ergebnis schon im Ermittlungsverfahren zu den Akten zu reichen. Damit nimmt der Strafverteidiger bereits in diesem Verfahrensstadium erheblichen Einfluss auf das weitere Verfahren. Einzelheiten besprechen Sie mit Ihrem Fachanwalt für Strafrecht oder ihrem Strafverteidiger.

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