Der Ablauf eines Strafverfahrens

Das Strafverfahren dient zur Feststellung einer Straftat und zur Festsetzung von Sanktionen und Strafen. Das Strafverfahren ist wie folgt aufgebaut:

  • Ermittlungsverfahren
  • Zwischenverfahren
  • Hauptverfahren
  • Rechtsmittel (Berufung/Revision)
  • Strafvollstreckungsverfahren

Ermittlungsverfahren

Jedes Strafverfahren beginnt mit dem Ermittlungsverfahren. Das bedeutet, dass die Ermittlungsbehörden beispielsweise durch eine Anzeige Kenntnis vom Verdacht einer Straftat erlangen und ein sogenannter Anfangsverdacht gem. §152 II StPO vorliegt. Die Ermittlungsbehörden sind in solchen Fällen verpflichtet, dem Sachverhalt nachzugehen.

Bei den Untersuchungen müssen nicht nur belastende, sondern auch den Beschuldigten entlastende Umstände ermittelt werden (§160 II StPO). In der Praxis sieht das allerdings anders aus, hier fehlt es häufig an der Objektivität der Ermittlungen. Denn Ermittlungsbeamte haben oftmals ein gefährliches Interesse, Ermittlungen schnell und „erfolgreich“ abzuschließen. Dann bleiben entlastende Umstände häufig auf der Strecke. 

Da die Staatsanwaltschaft den weiteren Ablauf der Ermittlungen lenkt, erhält diese dann den Sachverhalt von der Polizei – und damit oftmals erstmalig überhaupt Kenntnis von den tatsächlichen Ermittlungen. 

Die Staatsanwaltschaft prüft nun, ob ein hinreichender Tatverdacht, der zur Anklageerhebung oder einem Strafbefehl führt, vorliegt. Wird dem zuständigen Staatsanwalt ein nur einseitig beleuchteter Sachverhalt präsentiert, wird er dazu neigen, Anklage zu erheben. 

Hier können Gefahren für den Beschuldigten lauern. Denn der anwaltlich nicht vertretene Beschuldigte ist dem einseitigen Vorgehen der Ermittlungsbehörden schutzlos ausgeliefert.

Als Beschuldigter erhalten Sie über eine Vorladung darüber Kenntnis, dass gegen Sie ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden ist.

Wichtig: Einer polizeilichen Vorladung als Beschuldigter müssen und sollten Sie niemals ohne vorherige anwaltliche Beratung folgen.
Ein Gespräch mit der Polizei kann u.U. sogar – ohne dass Sie es merken – den Tatverdacht gegen Sie erhärten!

Demnach ist es ratsam, dass ein Strafverteidiger zunächst Akteneinsicht beantragt, um die Akte intensiv studieren zu können. Danach kann ein Strafverteidiger mit Ihnen eine Strategie ausarbeiten, wobei eine Einlassung hier immer noch erfolgen kann, sofern dies sinnvoll ist. Je früher Sie einen versierten Strafverteidiger beauftragen, umso höher sind die Chancen eine Hauptverhandlung zu verhindern.

Sollten Sie Beschuldigter eines Strafverfahrens sein, zögern Sie nicht und kommen Sie auf mich zu. Als Fachanwältin für Strafrecht stehe ich Ihnen mit jahrelanger Expertise mit Rat und Tat zur Seite. Vereinbaren Sie gerne online oder telefonisch einen Termin.

Anklage – Zwischenverfahren

Sollten ausreichend Beweise für die Begehung der Straftat vorliegen, wird die Staatsanwaltschaft Anklage erheben. Mit Eingang der Anklageschrift bei Gericht ist das Zwischenverfahren eröffnet.

Jetzt gilt es, die Hauptverhandlung zu verhindern.

Sinn und Zweck des Zwischenverfahrens ist die nochmalige Überprüfung der Frage, ob ein hinreichender Tatverdacht vorliegt und ob ein Hauptverfahren durchgeführt wird.
Die Prüfung erfolgt durch das Gericht. Das Gericht ist dabei dasselbe Gericht, welches später eine etwaige Hauptverhandlung durchführt. Sollte es also zu einer Hauptverhandlung kommen, hat dasselbe Gericht vorab bereits einen hinreichenden Tatverdacht und damit „die Wahrscheinlichkeit der Verurteilung“ festgestellt (§ 203 StPO). 

Die Nichteröffnung des Hauptverfahrens ist noch möglich!

Lassen Sie es im besten Fall erst gar nicht so weit kommen und zögern Sie nicht, einen Strafverteidiger zu kontaktieren. Dieser kann vor allem rechtliche Einwände gegen die Anklage erheben.
Ihr Strafverteidiger kann einen Antrag auf Nichteröffnung der Hauptverhandlung bei Gericht stellen. So kann oftmals ganz oder teilweise die Eröffnung des Hauptverfahrens verhindert werden (§ 204 StPO). 
Im Zwischenverfahren gibt es daneben noch die Möglichkeiten der Einstellung des Verfahrens. 

Einstellung des Verfahrens

Sollten aus Sicht der Verteidigung keine hinreichenden Beweise vorliegen, welche die Erhebung einer Anklage rechtfertigen, wird sie die Einstellung des Verfahrens mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 StPO beantragen.

Häufig kommt auch eine Einstellung aufgrund geringer Schuld nach § 153 Abs. 1 StPO in Betracht (z. B. bei Ersttätern oder weniger schwerwiegenden Vergehen wie Diebstahl). Wenn dem Antrag stattgegeben wird, ist das Verfahren ohne Schuldspruch und ohne Auflagen abgeschlossen.
Es besteht auch die Möglichkeit einer Einstellung gegen eine Auflage gemäß § 153 a Abs. 2 StPO (z.B. Zahlung eines Geldbetrages, Ableisten von Sozialstunden). Eine solche Einstellung setzt die Zustimmung des Beschuldigten voraus, welche jedoch nicht als Schuldeingeständnis zu verstehen ist. Der Beschuldigte kann sich also gemäß der Unschuldsvermutung weiterhin als unschuldig bezeichnen. Erfüllt der Beschuldigten die Auflagen, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Das bedeutet, dass die Tat auch später nicht verfolgt werden kann, es sei denn, es stellt sich heraus, dass der Sachverhalt ein Verbrechen und nicht nur ein Vergehen begründet. Vorteil dieser Einstellung ist, dass keine Eintragung im polizeilichen Führungszeugnis oder im Bundeszentralregister erfolgt.

Kommt eine der o.g. Einstellung nicht in Betracht oder hat ein Antrag auf Nichteröffnung der Hauptverhandlung keine Aussicht auf Erfolg, ist die Hauptverhandlung vorzubereiten.

Ihre Verteidigung trägt alle Argumente zur Einstellung/Nichteröffnung der Hauptverhandlung vor.
Nutzen Sie also die Verteidigung bereits im Ermittlungsverfahren, um auszuloten, ob eine der genannten Einstellungsmöglichkeiten in Betracht kommt und eine Hauptverhandlung verhindert werden kann.

Hauptverfahren

Sofern das Gericht die Anklage zulässt, also das Hauptverfahren eröffnet, werden ein oder mehrere Termine anberaumt. 
Ein guter Strafverteidiger wird die Akte durcharbeiten, die Hauptverhandlung aktiv mitgestalten und Sie durchgehend über Ihre Chancen und Möglichkeiten beraten und aufklären.

  • Ablauf einer Hauptverhandlung – kurz und verständlich:
  • Aufruf der Sache
  • Vernehmung des Angeklagten zur Person
  • Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt
  • Vernehmung des Angeklagten zur Sache
  • Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung, Inaugenscheinnahme,…)
  • Schlussvorträge: Die Staatsanwaltschaft hält Ihren Schlussvortrag. In der Regel beantragt sie eine Strafe. Anschließend folgt das Plädoyer der Verteidigung. Der Angeklagte erhält das letzte Wort, § 258 II StPO. 
  • Anschließend zieht sich das Gericht zur geheimen Beratung zurück
  • Urteilsverkündung
  • Berufung im Strafrecht
  • Jedes Urteil eines Amtsgerichts ist grundsätzlich mit dem Rechtsmittel der Berufung anfechtbar, § 312 StPO.
  • Oft gibt es gute Gründe, Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil einzulegen. Zum Einen ist es möglich, dass sich neue Beweise finden, die zur Entlastung beitragen. Zum Anderen ist der Verurteilte mit der Auswertung der Beweise seitens des Gerichts oder mit der Art und Höhe der Strafe nicht zufrieden.

Das Verschlechterungsverbot

Gemäß § 331 Abs. 1 StPO gilt das sogenannte Verschlechterungsverbot. Sofern der Angeklagte Berufung eingelegt hat, darf das Urteil danach grundsätzlich nicht zu seinem Nachteil geändert werden.
Achtung: Das Rechtsmittel der Berufung kann auch durch die Staatsanwaltschaft eingelegt werden. Sollte dies der Fall sein, (z.B. weil sie das Urteil für den Angeklagten zu milde hält), ist eine Verschlechterung möglich!

Frist für die Einlegung der Berufung

Die Frist zur Einlegung der Berufung beträgt eine Woche. Die Frist beginnt bereits ab der Urteilsverkündung, also in der Regel dem letzten Tag der Hauptverhandlung. Sollten Sie gegen ein erstinstanzliches Urteil Berufung einlegen wollen, ist Eile geboten.
Kontaktieren Sie dann sofort einen Strafverteidiger!

Berufung – letzte Chance

Die Berufung ist mitunter die letzte Chance! Nach Einlegung der Berufung erfolgt die Berufungshauptverhandlung am Landgericht. Sofern Sie vom Landgericht wieder verurteilt werden, steht Ihnen das Rechtsmittel der Berufung nicht mehr zur Verfügung! Es kann dann nur noch Revision eingelegt werden.

Sprungrevision – Alternative zur Berufung
Gegen ein amtsgerichtliches Urteil kann auch Revision eingelegt werden, die sogenannte Sprungrevision. Dieses Rechtsmittel ist ratsam, wenn das Urteil offensichtliche Rechtsfehler erhält. Im Erfolgsfalle wird dann eine neue Verhandlung am Amtsgericht stattfinden. Bei erneuter Verurteilung durch das Amtsgericht steht dann auch „im zweiten Anlauf“ erneut das Rechtsmittel der Berufung zur Verfügung.

Revision
Im Gegensatz zum Revisionsverfahren handelt es sich bei dem Berufungsverfahren um eine sogenannte Tatsacheninstanz. Das bedeutet, dass hier neue Tatsachen vorgebracht werden können (z.B. ein Zeuge ist beim letzten Mal nicht gehört worden). Im Berufungsverfahren findet eine komplett neue Beweisaufnahme statt. Das Verfahren geht sozusagen „einmal von vorne wieder los“.

All dies ist im Revisionsverfahren nicht mehr möglich. Hier kann das Urteil nur noch in rechtlicher, nicht aber in tatsächlicher Hinsicht überprüft werden. Neue Tatsachen spielen hier also überhaupt keine Rolle. Sollten Sie z.B. mit Ihrem bisherigen Verteidiger in erster Instanz unzufrieden gewesen sein, ist die Einlegung der Berufung also der beste Zeitpunkt, den Anwalt zu wechseln.

Welche Folgen drohen bei Drogen am Steuer?

Wer sich berauscht ans Steuer setzt, dem drohen ernste Folgen für Führerschein und Fahrerlaubnis. 

Führerscheinentzug und Fahrverbot

Ein Fahrverbot wird für einen festgelegten Zeitraum ausgesprochen, bei einem Führerscheinentzug ist die Fahrerlaubnis nicht mehr gültig. Eine zeitliche Beschränkung gibt es nicht. Das Fahrverbot wird für einen Zeitraum von 1-3 Monaten verhängt. Die Ungültigkeit des Führerscheins wird bei einem Führerscheinentzug aus dem Dokument vermerkt oder es wird separat eingezogen. Zugleich wird eine mindestens halbjährige Sperrfrist verhängt. In dieser Zeit darf kein neuer Führerschein ausgestellt werden. Nach der Sperrfrist muss die Fahrerlaubnis neu beantragt und neu erteilt werden. Eine Fahrprüfung ist dazu in der Regel nicht abzulegen. Die Fahrerlaubnisbehörde kann den Nachweis fordern, dass die Gründe für den ursprünglichen Führerscheinentzug nicht mehr vorhanden sind. Die Fahrerlaubnisbehörde kann dazu Auflagen erteilen, sie kann z.B. eine medizinisch psychologische Untersuchung (MPU) oder den ärztlichen Abstinzenznachweis fordern.

Unterschiedliche Drogen

Für Alkohol hat der Gesetzgeber klar Grenzwerte festgeschrieben. Bei anderen berauschenden Mitteln gibt es keine Grenzwerte. Es muss der Konsum nachgewiesen werden und es ist zu prüfen ob es infolge der Einnahme von Betäubungsmitteln zu konkreten Ausfallerscheinungen kam.

Alkohol am Steuer

Es wird zwischen relativer und absoluter Fahruntüchtigkeit unterschieden. Absolute liegt vor ab 1,1 Promille. Relative Fahruntüchtigkeit liegt vor bei 0,3 bis 1,1 Promille. Bei absoluter Fahruntüchtigkeit ab 1,1 Promille ist mit einer Verurteilung wegen Trunkenheit im Verkehr zu rechnen. Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,3 bis 1,1 müssen zusätzliche Fahrfehler auftreten, sog. Ausfallerscheinungen. Bei einer Verurteilung ist auch mit dem Entzug der Fahrerlaubnis zu rechnen. Zudem ist jeder, der mit mindestens 0,5 Promille am Straßenverkehr teilnimmt, wegen einer Ordnungswidrigkeit nach dem StVG zu bestrafen. Es droht eine Geldstrafe und Punkte in Flensburg sowie ein Fahrverbot von 1-3 Monaten. 

Für Alkohol am Steuer wurden gesetzlich so genannte Promille-Grenzen festgelegt. Diese ergeben sich aus dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) und dem Bußgeldkatalog. Mehr dazu lesen Sie in diesem Beitrag.

Weiche Drogen Cannabis

Für den Fall des Konsums von Cannabis gilt, dass neben des Konsums auch die konkrete Fahruntüchtigkeit nachgewiesen werden muss. Es drohen sodann Fahrverbot, Punkte in Flensburg sowie ein Bußgeld. Wer regelmäßig Cannabis konsumiert gilt nicht mehr als fahrtüchtig. Bei gelegentlichem Konsum ist danach zu differenzieren, ob eine Trennung von Autofahren und Konsum erfolgt ist. Über Blut- und Urinuntersuchungen erfolgt der Nachweis des Konsums. Ein Langzeitkonsum ist über die Haarprobe feststellbar.

Harte Drogen

Wer harte Drogen wie Kokain und Heroin konsumiert und in eine Verkehrskontrolle gerät verliert nach der FeV seinen Führerschein wenn er erwischt wird. Dies gilt auch dann, wenn der nachgewiesene Konsum mehrere Tage zurückliegt. Die Gerichte gehen dann von der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen aus. Dies gelte selbst dann wenn der Betreffende zur Zeit des Fahrt gar nicht mehr unter Drogeneinfluss gestanden habe und diese sich weitgehend abgebaut habe.

Neuerteilung der Fahrerlaubnis

Wenn Drogen Grund für den Entzug der Fahrerlaubnis waren, so ist oft ein medizinisches Gutachten oder eine MPU Voraussetzung für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Bei Alkohol kann ebenfalls ein Abstinenznachweis erbracht werden. Waren Drogen im Spiel, so wird oft ein medizinisches Gutachten oder eine MPU zur Voraussetzung für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis gemacht. Nicht immer ist die Anordnung der MPU korrekt.

Praxistipp: So verhalten Sie sich richtig

Bei der Verkehrskontrolle sollten sie keine Angaben zu ihrem Konsum zu machen. Test zu Ausfallerscheinungen müssen sie auch nicht zustimmen. Bei Drogenfahrten sollten Sie den Konsum vollständig einstellen. Gerichtliche Anordnungen von Blutproben können Sie nicht verweigern. Einen Schnelltest für Drogen müssen sie nicht einwilligen. Wenn ihrer Führerschein vorläufig beschlagnahmt wird, nehmen sie Kontakt zu einem Fachanwalt für Straf- und Verkehrsrecht auf. Erhalten Sie einen Bußgeldbescheid, so lassen sie durch einen Anwalt Einspruch einlegen oder legen selbst Einspruch ein. Beachten Sie die Frist. Bei der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis steht ihnen das Rechtsmittel der Beschwerde offen. Die endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis können sie mit einem Widerspruch angreifen. Wenn dieser erfolglos bleibt, mit einer Klare. Für Rechtsmittel gelten Fristen, die rechtzeitige Einholung anwaltlichen Rats ist deshalb sehr wichtig. Nehmen Sie bei entsprechenden Bescheiden sofort Kontakt mit einem Anwalt auf.

Der BGH entscheidet: Wer beim Geschlechtsakt heimlich das Kondom weglässt, macht sich strafbar. 

Damit äußerst sich der BGH zum ersten Mal zum sogenannten „Stealthing“. 

Wenn das Kondom gegen den Willen des Partners oder der Partnerin heimlich abgezogen oder weggelassen wird, kann aus einvernehmlichem Sex ein Verbrechen werden. Das hat nun der BGH in einem aktuellen Beschluss ausgeführt. Beim Stealthing täuschen Männer ihrer Sexpartnerin oder ihrem Sexpartnerin vor, ein Kondom zu nutzen, das in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. 

Im streitgegenständlichen Fall hatte ein IT Mann in seinem Zimmer ein Kondom aus der Verpackung geholt und so getan, als würde er es aufsetzen. Die Frau hat gedacht, dass er es sich übergestreift hatte. Ungeschützten Verkehr wollte sie nicht haben. 

Das Landgericht Düsseldorf habe dies zurecht als sexuellen Übergriff gewertet entschied der BGH- Dabei spiele es auch keine Rolle, dass die Frau unmittelbar davor ungeschützten Oralverkehr mit dem Mann hatte. Der BGH Sprecher erläuterte, dass sogar eine Verurteilung wegen Vergewaltigung in Betracht gekommen wäre.

Das Urteil wurde nur deshalb vom BGH aufgehoben, weil das Landgericht es versäumt habe, dem Mann einen notwendigen rechtlichen Hinweis zu erteilen. Das Landgericht Düsseldorf hatte den Mann wegen mehrerer Delikte aus dem Sexualbereich zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Der Fall muss nun in Düsseldorf neu verhandelt werden.

1. Der BAK-Wert im Strafrecht

Oftmals hört man im Zusammenhang mit Trunkenheit am Steuer vom sogenannten „BAK-Wert“. Doch was bedeutet dieser Wert und was sagt er aus?

Die Abkürzung BAK steht zunächst für Blut-Alkohol-Konzentration und findet sich vor allem im Strafrecht aber auch in Delikten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr. Der BAK-Wert hilft dabei festzustellen, ob eine Schuldunfähigkeit oder eine Fahruntauglichkeit vorliegt. Je höher der BAK-Wert, desto höher also die Schuld- oder Fahruntauglichkeit. Der BAK-Wert wird in Promille angegeben.

Es stellt sich allerdings die Frage welche Werte für den BAK-Wert ausschlaggebend sind und wie der BAK-Wert überhaupt ermittelt wird.

Ausschlaggebend für den BAK-Wert sind der aufgenommene Alkohol in Gramm, das Körpergewicht in Kilogramm und den Reduktionsfaktor (Mann = 0,7, Frau 0,6). Daraus ergibt sich die folgende Formel:

BAK Wert =→(Körpergewicht x Reduktionsfaktor)aufgenommener Alkohol

Wichtig ist allerdings das die oben angegebene Formel lediglich einer Schätzung entspricht denn nicht der gesamte Alkohol, den man zu sich nimmt, gelangt in den Blutkreislauf. Außerdem ist die Verteilung des Alkohols bei jedem Körper individuell.

Daher wird zwecks Ermittlungsgründen eine Blutabnahme vorgenommen, um den Alkoholwert genau festzustellen. Das Blutabnehmen, um den BAK-Wert zu bestimmen ist in § 81a StPO geregelt:

§ 81a StPO

Körperliche Untersuchung des Beschuldigten; Zulässigkeit körperlicher Eingriffe

  1. Eine körperliche Untersuchung des Beschuldigten darf zur Feststellung von Tatsachen angeordnet werden, die für das Verfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck sind Entnahmen von Blutproben und andere körperliche Eingriffe, die von einem Arzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen werden, ohne Einwilligung des Beschuldigten zulässig, wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist.

So gibt es im Strafrecht einige Richtwerte, nach denen das Strafmaß festgelegt wird. Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass es dennoch immer auf den Einzelfall ankommt!

0,3Relative Fahruntüchtigkeit
0,5Ordnungswidrigkeit
1,1Absolute Fahruntüchtigkeit beim Fahren eines PKW (beim Fahrrad 1,6)
2,0Verminderte Schuldunfähigkeit nach § 21 StGB
3,0Schuldunfähigkeit (es sei denn es handelt es sich um ein Tötungsdelikt: Wert bei 3,3)

2. Trunkenheit am Steuer

Die Trunkenheit am Steuer ist in § 316 StGB geregelt:

§ 316 StGB

Trunkenheit im Verkehr

  1. Wer im Verkehr (§§ 315 bis 315e) ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 315a oder § 315c mit Strafe bedroht ist.
  2. Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.

Die meisten Autounfälle passieren in Zusammenhang mit dem Konsum von Alkohol. So ist diese Thematik vor allem anlässlich der Weihnachtszeit besonders wichtig.

Meist wird auf der Weihnachtsfeier oder auch auf dem Weihnachtsmarkt Alkohol konsumiert. Man überschätzt meistens seine eigene Fähigkeit und denkt wegen „1-2 Glühweine“ kann man dennoch sicher nachhause fahren, ohne sich selbst und andere zu gefährden. Dabei unterschätzt man die Folgen von Alkohol auf den Körper. Allein im Jahr 2020 haben 31.540 Verkehrsunfälle in Zusammenhang mit Alkoholeinfluss stattgefunden. Davon wurden 15.500 Menschen verletzt1 . Eine Zahl, die zunächst erschreckt aber auch aufzeigt wie schnell und häufig Unfälle unter Alkoholeinfluss passieren können.

Die Trunkenheit im Verkehr gilt nicht nur für das Fahren mit einem PKW, sondern auch für das Fahrradfahren, über das wir an einer anderen Stelle des Beitrages eingehen werden. Ab 1,1 Promille erfüllt der Fahrer eines PKW den Straftatbestand des § 316 StGB.

Welche Strafe habe ich zu erwarten?

Für den Gesetzgeber ist mit Fahren unter Alkoholeinfluss nicht zu spaßen und wird auch dementsprechend bestraft. Folgende Konsequenzen sind aktuell im Falle von Drogen- und Alkoholdelikte mit dem PKW zu erwarten2:

Verstoß gegen 0,5 Promille Grenze
1. Mal500 € Bußgeld, 2 Punkte, 1 Monat Fahrverbot
2. Mal1.000 € Bußgeld, 2 Punkte, 3 Monate Fahrverbot
3. Mal1.500 € Bußgeld, 2 Punkte, 3 Monate Fahrverbot
Gefährdung des Verkehrs unter Alkoholeinfluss (ab 0,3 Promille)3 Punkte, Entziehung der Fahrerlaubnis, Geld- oder Freiheitsstrafe
Blutalkoholgehalt ab 1,1 Promille3 Punkte, Entziehung der Fahrerlaubnis, Geld- oder Freiheitsstrafe

Ein Bußgeld fällt demnach also schon bei einem Wert von 0,5 Promille an. Diesen geringen Wert selbst zu bestimmen und auf sein „Bauchgefühl“ zu hören, umfasst ein hohes Risiko. Daher sollten Sie selbst bei der geringen Einnahme von Alkohol unbedingt das Auto stehen oder sich fahren lassen um etwaige Konsequenzen zu vermeiden.

3. Betrunken Fahrrad fahren

Darf ich eigentlich nach der Betriebsfeier mit dem Fahrrad nachhause fahren, wenn ich etwas getrunken habe?

Eine Frage die sich vor allem angesichts der kommenden Weihnachtszeit und der zunehmenden Weihnachtsfeierlichkeiten stellt. Meistens hört man, dass dies kein Problem darstelle denn man lässt ja das Auto stehen und gefährdet niemanden.

Dies ist jedoch für den Gesetzgeber unerheblich. Setze ich mich auf das Fahrrad bin ich ebenso ein Teil des Straßenverkehrs wie ein PKW. Somit findet genauso wie bei der Trunkenheit am Steuer der § 316 StGB Anwendung.

Beim Fahrradfahren hat der Gesetzgeber eine absolute Fahruntüchtigkeit ab 1,6 Promille festgelegt. So drohen einem Radfahrer der einen Führerschein hat und betrunken Fahrrad fährt der Führerscheinentzug. Das wird mit dem Verantwortungsgefühl begründet, das ein PKW-Fahrer haben sollte. Die Unwissenheit: „Ich habe doch nicht so viel getrunken.“ oder: „Ich fahre ja nur Fahrrad“ schützen hie nicht vor der Strafe.

Welche Strafe erwartet mich?

Das Fahrradfahren unter Drogen- und Alkoholeinfluss wird ab einem gewissen BAK-Wert bestraft. Wichtig zu erwähnen ist, dass auch ein Bußgeld anfallen kann. Der Bußgeldkatalog wird laufend aktualisiert. Folgende Konsequenzen sind aktuell zu im Falle von Drogen- und Alkoholdelikte mit dem Fahrrad zu erwarten3:

1,6 Promille3 Punkte, MPU, Geldstrafe
0,3 Promille und „auffälliges“ fahrenStrafanzeige
0,3 Promille & Verursachung eines UnfallsStrafanzeige
Fahrradfahren unter DrogeneinflussMPU & Strafanzeige

Wichtig zu erwähnen ist hierbei, dass auch ein Fahrradfahrer, der unter der 1,6 Promille-Grenze liegt, eine Strafanzeige droht, wenn er durch seine Fahrweise auffällt und dadurch andere gefährdet. Hierbei kann sogar schon ab 0,3 Promille eine Strafanzeige erwartet werden.

Was bedeutet MPU?

Wer betrunken erwischt wird muss den „Idiotentest“ machen, so sagt man umgangssprachlich. Was in der Gesellschaft als „Idiotentest“ bezeichnet wird ist für den Gesetzgeber die MPU. MPU steht für Medizinisch-Psychologische Untersuchung und soll die Fahreignung desjenigen beurteilen der beispielsweise aufgrund von Trunkenheit der Führerschein entzogen wurde. Die MPU wird mittels Antrags gestellt. Die Kosten belaufen sich hierbei zwischen 350 bis 750 Euro. Zudem finden Blut-, Urintests und andere Analysen statt. Dessen Kosten zwischen 50 bis 350 Euro liegen. Der Antragsteller muss alle Kosten selbst tragen.

Da die MPU nicht leichtfertig mit der Ausstellung der Fahreignung umgeht ist diese ernst zu nehmen.

Technische Neuheiten: E-Bike und E-Scooter

Mit neuen technischen Errungenschaften ist der Gesetzgeber mit neuen rechtlichen Fragestellungen konfrontiert. Wie verhält es sich im Falle von Trunkenheit beim Fahren von E-Scootern und E-Bikes?

Zunächst ist ein E-Bike und ein E-Scooter ein Elektrokleinfahrzeug und wird von dem Gesetzgeber wie ein Kraftfahrzeug behandelt. Demnach findet auch hier der § 316 StGB Anwendung.

Ab 0,5 Promille begeht der Fahrer eine Ordnungswidrigkeit und ab 1,1 Promille begeht der Fahrer eine Straftat.

Das bedeutet also das die gleichen Konsequenzen drohen wie im Falle von Trunkenheit beim Fahren eines PKW. Auch wenn ein E-Scooter und ein E-Bike grundsätzlich eine geringere Gefahr darstellen als ein PKW, behandelt der Gesetzgeber diese gleich. Somit kann, wenn man beim Fahren eines E-Rollers oder eines E-Bikes im betrunkenen Zustand erwischt wird, die Fahrerlaubnis entzogen werden, ein Bußgeld und/oder eine Geld- oder Freiheitsstrafe drohen.

4. Was tue ich wenn ich erwischt werde?

Sollten Sie in die Situation kommen von der Polizei aufgrund von Trunkenheit im Zusammenhang mit dem Führen eines PKW, E-Bikes, E-Scooters oder beim Fahrradfahren angehalten worden zu sein, bleiben sie in jedem Fall ruhig, freundlich und kooperativ. Sie sollten jedoch keine Angaben zum Sachverhalt machen. Geben Sie nur Ihre Personalien an und folgen Sie den Anweisungen des Polizeibeamten. Im Übrigen machen Sie von Ihrem Recht, die Aussage zu verweigern Gebrauch. Ein Anwalt für Verkehrs- und Strafrecht kann ggf. auf eine Sperrfristverkürzung hinwirken oder eine Geldstrafe erwirken. Zögern Sie also nicht sich frühzeitig anwaltliche Hilfe zu holen, auch wenn der Sachverhalt auf Sie wie eine „Lappalie“ wirkt. Als Fachanwältin für Strafrecht und Fachanwältin für Verkehrsrecht kann ich Ihnen rund um Ihren Führerschein und Trunkenheitsfahren bestens helfen.

174 c StGB

  1. Wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm wegen einer geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung einschließlich einer Suchtkrankheit oder wegen einer körperlichen oder seelischen Krankheit oder Behinderung zur Beratung oder Behandlung oder anvertraut ist, unter Missbrauch des Beratungs- Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses vornimmt oder sich an ihr vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
  2. Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer Person, die ihm zur psychotherapeutischen Behandlung anvertraut ist, unter Missbrauch des Behandlungsverhältnisses vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
  3. Der Versuch ist strafbar.

Wesentliche Grundaussage des Paragrafen in der Praxis

Vereinfacht gesagt bedeutet der Tatbestand, dass ein Arzt oder Psychotherapeut ein strafrechtliches Problem hat, wenn man als Arzt oder Psychotherapeut ein sexuelles Verhältnis mit dem Patienten anfängt. 

Aber was sollten die Beteiligten tun, wenn beide sich verliebt haben? 

Der Arzt oder Psychotherapeut sollte dringend dem Patienten das Patientenverhältnis kündigen und diesen nur noch außerhalb der Praxis treffen.  Ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen und die Anzeige im Briefkasten, sollte der Arzt oder Psychotherapeut keinen Kontakt mehr zur Patientin aufsuchen und einen versierten Fachanwalt für Strafrecht beauftragen. Dieser sollte unverzüglich die Strafverteidigung anzeigen und Akteneinsicht nehmen. Mit dem Erhalt der Ermittlungsakte beginnt dann an dieser Stelle eine gute Strafverteidigung. Der Tatbestand und Wortlaut der Norm ist so ungenau und auch von den Gerichten so unterschiedlich ausgelegt worden, dass es ein ideales Einfallstor für einen versierten Strafverteidiger ist. So findet sich für fast jede Berufsgruppe auch ein Urteil, in dem diese Berufsgruppe nicht vom Tatbestand erfasst ist oder ein anderes Einfallstor, dass den Tatbestand ausschließt. Beispielsweise gibt es Urteile, die zu Gunsten von Ergotherapeuten ausgelegt werden können. Auch für andere Arztgruppen gibt es Urteile, die sich sehr zu deren jeweiligen Gunsten auswirken. Es ist Aufgabe eines guten Strafverteidigers, an dieser Stelle eine dezidierte Schutzschrift zu verfassen. Diese sollte anhand der Ermittlungsakte konkret herausarbeiten, weshalb der Tatbestand in dem konkreten Einzelfall nicht erfüllt ist und dabei auf jedes konkrete Tatbestandsmerkmal eingehen. Zu einer guten Strafverteidigung gehört es in diesem Bereich auch, mit dem Mandanten – sofern der Vorwurf nicht jeglicher Grundlage entbehrt – genau zu erarbeiten, weshalb er das Verhältnis mit seiner Patientin angefangen hat und wie dieses ausgestaltet wurde. 

Ging es von ihr aus? War es Liebe? Hat man sich auch außerhalb der Praxisräume getroffen? Gibt es Chat-Verkehr, welcher das eine oder andere belegt? 

Die Aufgabe eines Strafverteidigers an dieser Stelle ist es, genau herauszuarbeiten, warum der Sachverhalt – gegebenenfalls auch nur äußerst knapp – am Tatbestand vorbeigeht. So kann man z.B. begründen, warum kein „ausnutzen“ vorliegt, etwa weil die Parteien sich auf Augenhöhe gegenüberstanden. Zudem gibt es Fälle, in denen jemand nicht wegen einer Krankheit zum Ergotherapeuten gegangen ist, sondern zur Verbesserung seiner Fähigkeiten. Auch das hat der Anwalt herauszuarbeiten. 

Tätergruppe

Als Täter nach Abs. 1 kommen in Betracht Ärzte, Psychiater und Psychotherapeuten. Die gesonderte Regelung psychotherapeutischer Behandlungsverhältnisse in Absatz 2 hat nur deklaratorische Bedeutung. Denn es handelt sich u ein Unterverhältnis zu Absatz 1.

Schutzgut, Tatbestand und Täterstellung

Schutzgut der Norm ist die sexuelle Selbstbestimmung von Patienten, die aufgrund psychisch bedingter Einschränkungen ihrer Durchsetzungsmacht innerhalb therapeutischer Abhängigkeitsverhältnisse der Gefahr sexueller Übergriffe ausgesetzt sind. Das Einverständnis des Opfers kann den Tatbestand nicht ausschließen. Die Person muss dem Täter anvertraut sein, also ein spezifisches, durch die Behandlung bestehendes Macht- und Abhängigkeitsverhältnis bestehen. 

BGH Rechtsprechung zu Absatz 2

Der Senat hat entschieden, dass nur solche Personen Täter sein können, die eine Qualifikation i.S. der §§ 5,6 PsychThG besitzen. Behandlung i.S. von Abs. 2 sei nur eine solche, „die von einer Person durchgeführt wird, die berechtigt ist, die Bezeichnung „Psychotherapeut“ zu führen. Überdies müssen diese ein anerkanntes psychotherapeutisches Verfahren anwenden, also den Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinien entsprechen. Der Senat stütze das darauf, dass sie das der psychotherapeutischen Schulen so groß sei, dass die Anwendung des Tatbestands zu unbestimmt werde, wenn man ihn auf alle formen der Therapie anwende. Zwar habe der Gesetzgeber den Vorschlag, Berufsbezeichnungen in den Tatbestand des § 174 c aufzunehmen, nicht umgesetzt. Hieraus lasse sich aber nicht schließen, dass eine entsprechende Begrenzung nicht vorgenommen werden sollte. 

Kritik durch die Literatur

Für die Beschränkung des Täterkreises auf Personen, deren Berufsbezeichnung durch §§ 5,6 PsychThG geregelt und durch § 132 a geschützt ist, fände sich in der Gesetzesgeschichte kein Anhaltspunkt, vielmehr ausdrücklich für das Gegenteil. Denn der Gesetzgeber habe ausdrücklich auf die Bezeichnung des Täterkreises verzichtet, da sonst Außenseiter, die keinen anerkannten Beruf ausübten, nicht erfasst werden könnten, sog. Scharlatane. Die Bundesregierung erklärte in ihrer Gegenäußerung, es bestehe „Handlungsbedarf für psychotherapeutischen und vergleichbare Behandlungen“: Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung hob ausdrücklich die Fallzahlen aus nicht anerkannten psychotherapeutischen Behandlungsverhältnissen hervor und erwähnte als Beschreibung des Regelungsbedarfs, es seien Fälle sexuellen Missbrauchs durch Heilpraktiker bekannt geworden, die durch die neue Vorschrift erfasst werden sollten. Abs. 2 diene der Klarstellung, dass auch Behandlungen nur leichterer und vorübergehender Beeinträchtigungen der seelischen Befindlichkeit vom Tatbestand erfasst werden sollten. Eine Aufzählung bestimmter „Strafgruppen“ erscheine nicht sinnvoll, wenn man Strafbarkeitslücken vorbeugen wolle. Der Rechtsausschuss des Bundestages übernahm diesen Entwurf uneingeschränkt. Der Anwendungsbereich sollte also nach Ansicht der überwiegenden Literatur nicht auf den Bereich der §§ 5,6 PsycThG begrenzt werden. 

Systematische Erwägungen

Es sei auch nicht aus systematischen Gründen richtig, den Anwendungsbereich des Abs. 2 auf bestimmte Berufsgruppen zu beschränken im Sinnde des §§ 5,6 PsychThG. Denn es stehe außer Frage, dass eine Person wegen einer seelischen Krankheit, einer Suchtkrankheit oder einer körperlichen Krankheit nicht nur Ärzten, sondern auch Heilpraktikern, Krankenpflegern, Altenpflegern, Bewegungs-, Arbeits- und Suchttherapeuten oder Chiropraktikern zur Beratung oder Betreuung aber auch zur Behandlung im Einzelfall anvertraut sein kann. Daher ist es systematisch verfehlt, den Anwendungsbereich des klarstellenden Abs. 2 auf Fälle des § 1 III PsychThG zu beschränken, während die Grundregel des Abs. 1 (unstreitig) auch weiterhin keinerlei ähnlichen Beschränkungen unterliege. 

Ergebnis

Die Entscheidung überzeuge auch im Ergebnis nicht, denn sie lasse das Anliegen des Gesetzgebers leerlaufen. Durch § 174 c StGB sollten neben den üblichen Beratungs- und Behandlungsverhältnissen gerade auch in Missbrauchsabsicht durchgeführte Pseudo-Therapien und Scharlatane erfasst werden. 

Ansicht der Literatur zusammengefasst 

Nach vielen im Schrifttum vertretenen Ansichten unterfallen dem Begriff „Psychotherapie“ im Sinne von Absatz 2 nicht nur anerkannte Therapien, sondern auch „alternative“ Therapieformen. Es komme gerade nicht darauf an, ob die Behandlung als Therapie bezeichnet wird und ob der Täter eine Qualifikation i S der §§ 5,6 PsychThG besitzt und ob die Behandlung den Vorgaben der Psychotherapie-Richtlinien entspricht. Ein Fall des Abs. 2 ist stets dann gegeben, wenn die betroffene Person aus eigenem Antrieb oder fremden Antrieb wegen geistiger oder psychischer Linderung oder Heilung gerichtete des Therapeuten stattfindet. Das könne gerade auch dann der Fall sein, wenn eine Behandlungsmethode nach außen ausdrücklich keine Heilbehandlung im Sinne der Schulen ist. 

„Anvertrautsein“

Das Opfer muss dem Täter in allen Fällen zur Beratung, Behandlung oder Betreuung anvertraut sein. Das setzt voraus, dass das tatbestandliche Verhältnis tatsächlich besteht. Auf das Vorliegen eines Vertrags kommt es nicht an. Ein Verhältnis der Über- und Unterordnung braucht nicht bestehen. Ein Abhängigkeitsverhältnis ist ebensowenig erforderlich. Die Person muss „wegen“ einer in Abs. 1 genannten Beeinträchtigungen oder zur Behandlung im Sinne von Abs. 2 anvertraut sein. Ob sich diese erstellte Diagnose als zutreffend erweist, ist unerheblich. Es ist somit weder auf die Sicht des Opfers noch auf die Sicht des Täters abzustellen. Immer liegt ein solches Verhältnis vor, wenn die betroffene Person die Beratung, Behandlung oder Betreuung aus einem der genannten Gründe aufgesucht hat und der Täter eine entsprechende Tätigkeit aufgenommen hat oder zu ihr verpflichtet ist. Er könne sich sogar ohne Kenntnis und selbst gegen den Willen der betroffenen Person aus Vertrag oder dienstlichen Pflichten ergeben. Ob eine Krankheit oder Behinderung tatsächlich vorliege, sei unerheblich, soweit die betroffene Person subjektiv eine Behandlungs- oder Beratungsbedürftigkeit empfinge. Der Tatbestand könne auch erfüllt sein, wenn das Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis pro Forma beendet werde, bevor es zu sexuellen Handlungen komme. 

Tathandlungen 

Erfasst sind nur solche Tathandlungen mit körperlichem Kontakt. Die Erheblichkeitsschwelle des § 184 h Nr. 1 lasse sich nicht für alle genannten Verhältnisse einheitlich bestimmen. Sie sei abhängig von der konkreten Beeinträchtigung der betroffenen Person, von der Stellung des Täters innerhalb des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses. Für die Frage der Erheblichkeit komme es auf objektive Kriterien und nicht auf subjektive Kriterien an. Eine gesteigerte Sensibilität des Opfers bleibt unberücksichtigt. 

Missbrauch des Behandlungsverhältnisses 

Die Tat muss unter Ausnutzung des Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses erfolgt sein. Hierbei handelt es sich nach dem BGH um ein einschränkendes Tatbestandsmerkmal. Nötigungshandlungen sind nicht erforderlich und die der Tatbestand kann auch nicht durch Einwilligung ausgeschlossen werden. Missbrauch ist regelmäßig bei bewusstem Ausnutzen spezifischer Abhängigkeits- und Vertrauenssituationen gegeben. Es sei kein konkretes Abhängigkeitsverhältnis erforderlich. Innerhalb therapeutischer Verhältnisse stellen sich sexuelle Handlungen fast immer als missbräuchlich dar. Im Rahmen von Beratungs- und Betreuungsverhältnissen komme es eher auf den Einzelfall an. 

Rechtsfolgen

Die Strafandrohung entspricht der §§ 174 a StGB und 174 b StGB. Eine Maßregel liegt bei Wiederholungstaten oder bei gravierenden Übergriffen nahe. Eine Entziehung der Approbation ist auch denkbar. 

Rechtstipp

Der Strafverteidiger sollte sehr sauber am Tatbestand arbeiten. Er sollte in seiner Schutzschrift herausarbeiten, welcher Paragraf überhaupt zur Anwendung käme. Bei Absatz 2 sollte er sich auf die Rechtsauffassung des BGH stützen, sofern der Beschuldigte nicht Psychotherapeut i.S. der §§ 5,6 PsychThG ist. Im Bereich dieses Tatbestandes ist die Auffassung der Rechtsprechung deutlich Täterfreundlicher als die Ansicht der Literatur, so dass der Strafverteidiger ein einfaches Spiel hat.

Entscheiden tuen die Gerichte und nicht die Literaten!